In German: Bayreuther Abgründe von Herbert Meyer – eine Rezension

Also gut – für die Germanophilen (oder auch Anglophoben) unter euch gibt’s jetzt auch mal einen Post auf Deutsch. Keine Ahnung, ob ich das regelmäßig machen werde oder nicht, aber es hat sich gerade angeboten. Ich habe nämlich diesen Monat Bayreuther Abgründe, einen Lokalkrimi, der an meiner ehemaligen Schule spielt, gelesen, und habe so einige Gedanken, die sich doch besser auf Deutsch zusammenfassen lassen. Viel Spaß beim Lesen!


Basisinfos:
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Titel: Bayreuther Abgründe: Kommissar Kanters erster Fall – Ein Bayreuth Krimi

Autor: Herbert Meyer

Genre: Kriminalroman

Erstveröffentlichung: 24. Juli 2018

Gelesen: Oktober 14-18, 2018

Bewertung: 2/5 Sternen


Goodreads Zusammenfassung: Auf dem Gelände des renommierten Bayreuther Carolus-Erasmus Gymnasiums wird bei Bauarbeiten das Skelett eines Kindes gefunden. Schnell wird klar, dass es sich um die sterblichen Überreste des seit fast 30 Jahren verschwundenen Schülers Benjamin Schröder handelt. Hauptkommissar Friedrich-Konrad Kanter, früher selbst dort Schüler, und seine Kollegen Georg Schwingshackl und Hannes Frauenknecht blicken in tiefe Abgründe menschlichen Handelns. Wer ist für den Tod und das Verschwinden des kleinen Benjamin verantwortlich? Welche Rolle spielen der selbstherrliche Schulleiter Dr. Leonidas Stahlmann und sein Hausmeister Hans Lauerer? Sehr bald gibt es noch mehr Leichen an der Schule, und die elitäre Fassade bröckelt gewaltig. Unter großem Druck der Öffentlichkeit gestalten sich die Ermittlungen der Kommissare schwierig und führen zu einem überraschenden Ende.


So, kommen wir nun zu all meinen spoilerischen Gedanken:

Als ehemalige GCElerin war dieses Buch für mich einfach ein Muss – ich wollte unbedingt sehen, wie meine alte Schule literarisch verarbeitet wurde. Im Nachhinein war der Schulaspekt war auch das, was mir an Bayreuther Abgründe eindeutig am besten gefiel. Obwohl das GCE auf CEG umgetauft wurde, ist dennoch für jeden Bayreuther deutlich erkennbar, um welche Schule es sich hierbei handelt. Die Lage am Main, die Adresse, der gesamte Lageplan des Gebäudes: das kennen alle, die jemals am GCE waren, bestens. Der Autor, selbst ehemaliger GCEler, genierte sich auch gar nicht, die Schule aufs Korn zu nehmen. So musste ich bei Zitaten wie dem folgenden ziemlich schmunzeln:

Das CEG nahm unter den Bayreuther Gymnasien eine ganz besondere Position ein. Es war das älteste Gymnasium, benannt nach einem Philosophen der Aufklärung, klein und sehr fein. Es verstand sich schon immer als durchaus elitär im althergebrachten Sinn. (Meyer 8)

Die Einbildung, elitär zu sein, das humanistische Prestige, die Schülerverbindung Abituria (im Buch Arcadia) – all das wurde wunderbar verarbeitet, sodass ich mich köstlich amüsierte. Die Schule kommt zwar insgesamt nicht gerade gut weg, aber ein bisschen Kritik kann eine Eliteschule durchaus verkraften 😉 Außerdem spielen die schrecklichen Schulleiter- und Hausmeister-Zustände ziemlich sicher auf eine allen GCElern bekannte and berüchtigte vergangene Ära der Schule an, sodass die Kritik nur zur Unterhaltung beiträgt.

Für Kenner kann man also sagen: dieses Buch ist durchaus eine interessante literarische Verarbeitung eines Bayreuther Gymnasiums und man wird sich sicher freuen, einiges aus dem Bayreuther Alltag wieder zu erkennen. Für Nicht-Bayreuther, allerdings, wäre dieser Krimi vermutlich eine ziemliche Enttäuschung.

Zunächst wäre da der Schreibstil, mit dem ich nicht wirklich warm wurde. In Bayreuther Abgründe finden sich zahlreiche Wiederholungen, unnötig lange Inquit-Formeln bei der direkten Rede, und Häufungen von Informationen über Bayreuth, Humanismus und fränkisches Essen, die seltsam getrennt von der restlichen Handlung wirken. Hier ein paar Beispiele zur Verdeutlichung:

Als sie kurz vor fünf in der Gastwirtschaft antrafen, suchten sie sich einen etwas abgelegenen Tisch, damit sie sich einigermaßen ungestört unterhalten konnten. Um diese Zeit war noch nicht so viel los in der Wirtschaft, so dass sie Wolfgang Gottwald bestimmt erkennen würden. (Meyer 91, meine Hervorhebung)

Als er sich seinem Haus näherte, war ihm von weitem, als ob in der Einfahrt etwas Gelbes stehen würde. Am Haus angekommen, erkannte er Erikas quietschgelben Polo. (Meyer 148, meine Hervorhebung)

Diese Wiederholungen klingen auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so störend. Schließlich wird meistens nicht exakt dasselbe Wort nochmal verwendet. Aber dies passiert leider so häufig, dass die Sprache insgesamt holprig wirkt. Die beiden Instanzen habe ich zum Beispiel gefunden, indem ich das Buch auf einer zufälligen Seite aufgeschlagen habe und dort angefangen habe zu lesen… Außerdem wären die Wiederholungen meistens sehr leicht vermeidbar. In den obigen Sätzen könnte man zum Beispiel sehr leicht „in der Wirtschaft“ und „quietschgelb“ weglassen, ohne dass sich der Sinn der Sätze verändern würde.

Ähnlich verhält es sich bei den Inquit-Formeln. Hier ist wieder ein zufällig aufgeschlagener Absatz des Buches:

„Servus zusammen“, rief ein offenbar bestens gelaunter Heiner Erdmann. „Here are the results of the LKA-jury“, äffte er das Bewertungsritual beim Europäischen Song-Contest nach.

„Mach’s nicht so spannend, Heiner“, drängte Kanter seinen Kollegen, „wir sind ganz Ohr!“

„Also, ich fasse mich kurz. Die Haare aus dem Plastiksack gehören auf keinen Fall zum Opfer. Wenn ihr passendes Vergleichsmaterial herbeischafft, kommen wir der Lösung des Falles ein gewaltiges Stück näher. Den einen oder anderen Verdächtigen gibt’s ja, oder?“, zeigte Heiner Erdmann auch gleich die nächsten nötigen Ermittlungsschritte auf. (Meyer 100, meine Hervorhebungen)

Ich habe ja nichts dagegen, wenn ab und zu mal eine längere Inquit-Formel genutzt wird. Wenn es immer passiert lenkt es aber extrem von der wörtlichen Rede selbst ab. Zudem sind die Erläuterungen meistens völlig unnötig, weil eh alles aus dem Kontext des Gesagten klar wird…

Auch die Charaktere fand ich zum Großteil ziemlich unansprechend. Bis auf die Fieslinge der Geschichte hatten eigentlich alle Figuren dieselbe Persönlichkeit: entweder sie waren ältere, typisch fränkische Herren oder Frauen, die in den Hintergrund der Geschichte abgeschoben wurden, während die Männer fleißig ermittelten. Kanter und seine Mitarbeiter sprachen und handelten alle wie dieselbe Person. Erfuhren Charaktere vom Tod eines Familienmitglieds antworteten sie nahezu genauso sachlich wie die Polizei, wenn sie über die neusten Indizien sprach. Ich hätte mir hier etwas mehr Abwechslung gewünscht und etwas mehr Gefühl neben der Sachlichkeit. Außerdem hat es mich etwas gestört, dass alle Leute dieselbe Perspektive hatten. Keiner war jemals außerhalb von Franken gewesen und ich fand es sehr aussagekräftig, wie Kathi, die einzige etwas weltoffenere Person in dem Buch, dargestellt wurde:

„Seid froh, dass ihr keine Kinder habt“, begann er. „Wir sitzen gestern alle drei gemütlich und einträchtig beim Sonntagsbraten, als unser Fräulein Tochter aus heiterem Himmel ankündigt, sie müsse uns etwas Wichtiges sagen.“

„Lass mich raten“, unterbrach Hannes seinen Kollegen, „sie ist verliebt und will heiraten. Alt genug ist sie ja.“

„Wenn es nur das wäre, darüber hätten sich meine Karin und ich ja noch gefreut. Nein, die Kathi hat sich in den Kopf gesetzt, mindestens ein Jahr an eine Schule in Tansania zu gehen, um den dortigen Negerkinderlein Lesen und Schreiben beizubringen. TANSANIA!“, rief er, „wisst ihr, was das heißt? Des Madla spinnt doch“, ereiferte er sich. „Die Karin ist am Boden zerstört.“ (Meyer 88-89)

Leider kann ich nur allzu gut verstehen, dass wir immer mehr rechte Tendenzen in unserer Gesellschaft haben, wenn das die gängige bayerische Meinung ist. Weder die Nutzung des Wortes „Neger“ noch die Dummheit von Kathis Entscheidung werden von irgendjemanden in diesem Buch angezweifelt. Nein, zum Glück verliebt sich Kathi später in Hannes und ist dann bereit, vielleicht doch auf Afrika zu verzichten. Wo haben diese Eltern ihre Prioritäten? Ich wäre ja begeistert, wenn mein Kind etwas von der Welt sehen will, sich für andere Kulturen interessiert, helfen will. Aber es ist wohl besser, wenn man irgendjemanden anschleppt (selbst, wenn es ganz plötzlich kommt) und ihn gleich heiratet, nicht, dass man als alte Jungfer endet. Manchmal wundert es mich schon, wie wenig sich an dem traditionellen Frauenbild verändert hat… Ich weiß, ich weiß – ich bin selbst ziemlich liberal eingestellt. Aber ich glaube kaum, dass nur mich so etwas stört.

Kommen wir nun zum Kriminalfall selbst. Ich fand die Handlung realistisch und durchdacht, die Motive der Täter waren durchaus plausibel. Mich hat aber sehr gestört, dass es jeweils schon sehr früh Szenen aus Sicht der Täter gab, die genau schilderten, wer wie und warum die Tat begangen hatte. So verloren die Ermittlungen der Polizei viel von ihrem Reiz, da ich ja eh schon alles wusste. Nur bei dem letzten Mord konnte man noch etwas spekulieren (ich hätte es auch durchaus überzeugend gefunden, wenn Stahlmann Senior ihn zur Rettung der Familienehre begangen hätte), aber auch nur ein paar Seiten lang. Ich hätte es viel besser gefunden, wenn man als Leser länger im Dunkeln getappt wäre. Schließlich ist ein Teil des Reizes an einem Krimi, den Fall selbst zu lösen versuchen.

Mein Fazit ist also: literarisch gesehen ist Bayreuther Abgründe definitiv nicht eines der besten Bücher, die ich gelesen habe. Für Ortsansässige hat dieser Lokalkrimi aber durchaus seinen Charme, da man so ziemlich alle genannten Orte wiedererkennt und sehen kann, wie seine Heimat verarbeitet und zum Teil auf die Schippe genommen wird. Obwohl das Buch objektiv gesehen nicht sonderlich gut war, würde ich es also trotzdem vor allem literarisch interessierten Ex-GCElern empfehlen, einfach um mal zu schauen, was andere Leute so über ihre Schule denken 😉

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